Immer wieder höre und lese ich von Arbeitnehmenden aus unterschiedlichsten Branchen solche und ähnliche Szenen:
Keine Wertschätzung vom Chef wahrgenommen, keine Jahresgespräche, die (sicherlich gut gemeinte) Giesskannen-Dankes-Rede am jährlichen Firmenanlass empfinde ich als einstudierte Rede finde ich mich nicht wieder. Meine Arbeitsmotivation sinkt, die Gesundheit leidet. Mein Chef interessiert sich nicht für mich, sieht meine Leistung nicht. Bevor sich meine Leistung massgeblich reduziert, kündigte ich meine Stelle, danach war der sprichwörtliche „Teufel im Dach“, der Chef erachtete meine Kündigung als Verrat und wurde unfair.
Quelle: Arbeitnehmende aus unterschiedlichen Branchen/Hierarchie-Stufen
Was steckt dahinter?
Jeder Mensch ist anders. So benötigen Sie als Mensch „C“ vielleicht etwas anderes als Ihr Gegenüber (Mensch „B“). Es wird vermutlich auch wenig nützen, wenn Sie zu Mensch „B“ sagen: „Das reicht dir, damit geht es dir gut“. Mensch „B“ hat seine eigene Welt, wie auch Sie als Mensch „C“.
Ein zweiter wichtiger Punkt: Sie mögen sich an das Vier-Ohren-Modell nach Schulz von Thun aus Ihrer Management-Ausbildung erinnern? Demnach sind unterschiedliche Interpretationen des Kommunizierten sehr wahrscheinlich.
Und zu guter Letzt: Wir können leider, oder zum Glück, nicht beeinflussen, welche Worte und Handlungen wie beim Empfänger aufgenommen werden, was die Empfängerin in ihrer eigenen Welt und aufgrund ihrer Erfahrungen daraus interpretiert, ignoriert oder sich dazu reimt. Wir sind Menschen, keine Roboter oder Excel-Listen, welche nur genau das umsetzen, was ihnen einprogrammiert wurde. Sie als Arbeitgebende werde diese Eigenschaft bei Ihren Mitarbeitenden (vielleicht auch nur unbewusst) schätzen. Denn dadurch können sie selbständig arbeiten und unverhofft auftauchende Fragestellungen selbst lösen, ohne dass sie von Ihnen für genau diesen Fall angeleitet wurden.
Die Arbeitgeber-Seite
Arbeitgebende sind oft nicht zu beneiden. Sie tragen oft eine sehr grosse Verantwortung, bürden sich (oft unfreiwillig) viele Aufgaben auf, rennen von Brandherd zu Brandherd und vergessen dabei oft ihr eigenes Wohlbefinden. Die Grenzen von Arbeitszeiten, Sozialversicherungs- und Steuer-Gesetzen werden zunehmend enger. Zusätzliche Verpflichtungen und Lasten entstehen aus neuen Gesetzen, die dem gesellschaftlichen Wandel entsprechen. Die Angestellten scheinen stetig unzufriedener oder anspruchsvoller zu werden? Die familiären Verpflichtungen fordern Arbeitgebende ebenfalls, was möglicherweise zu zusätzlichen Spannungen führt.
Gleichzeitig müssen sich Arbeitgebende oft um die Anliegen sehr vieler interner Anspruchsgruppen kümmern – und werden es nur selten schaffen, allen Ansprüchen gleichzeitig gerecht zu werden. Dabei meinen sie, sie tun bereits alles was möglich ist.
Selbstverständlich erwarten sie, dass die Angestellten tagtäglich auch ohne konstantes Beaufsichtigen Höchstleistungen erbringen, zu Gunsten der Firma und damit zu Gunsten der Geschäftsinhabenden. Diese stören sich an kündigenden Hochleistungsträgern, hohen Absenzzahlen, steigenden Versicherungsprämien, am nicht Wertschätzen von Benefits, an Boten welche ihnen von schlechter Stimmung berichten, u.s.w. Vielleicht besetzen sie freiwerdende Stellen (un)freiwillig nicht, oder redimensionieren aktiv ihren Personalbestand. Sie als Lesende vermuten nun vielleicht, dass dies den Druck auf die verbleibenden Angestellten erhöht? Das kann zutreffen, je nach Geschäftsgang. Vielleicht hat sich das Verhalten solcher Arbeitgebenden jedoch bereits auf das Image und damit auf die Auftragslage ausgewirkt? Falls dem so sein sollte, wird sich dies kaum positiv auf solcher Arbeitgebenden auswirken, was sich wiederum vielleicht erneut negativ auf die Arbeitnehmenden auswirkt. Sie merken es selbst: eine Abwärtsspirale.
Drei mögliche Thesen, weshalb Arbeitgebende sich so verhalten
These 1:
Solche Arbeitgebenden verharren aus Überzeugung in der alten Zeit, als das Fabrikgesetz 1877 eingeführt wurde und sie mutwillig in ihrer unternehmerischen Freiheiten beschränkt wurden. Sie erachten die pünktliche Lohnzahlung als genügend verteilte Wertschätzung. Vielleicht hoffen sie auch auf eine zukünftige Generation, welche sich ihren Bedingungen wieder ohne Murren unterordnet? Ich lasse hier die Blase platze: Letzteres wird in naher Zukunft eher nicht eintreten.
Übrigens blieben die Arbeitsbedingungen auch mit dem Fabrikgesetz ab 1877 hart: lediglich, aber immerhin, wurde damit der Normarbeitstag auf 11 Stunden beschränkt. Zusätzlich wurden die Unternehmer verpflichtet, Vorschriften zum Schutz ihrer Arbeitnehmenden einzuhalten und bei betrieblichen Unfällen haftbar gemacht. Auch Nacht- und Sonntagsarbeit wurde im Grundsatz verboten, ebenso die Beschäftigung von Kindern und Frauen kurz vor und nach der Niederkunft. Das Fabrikgesetz war also ein Meilenstein für beide Seiten – und der Grundstein für die heutigen Arbeitsgesetze.
Quelle: Geschichte der Sozialen Sicherheit-1877
These 2:
Solche Arbeitgebenden hatten noch keine Gelegenheit (aus Zeitmangel, fehlenden kompetente Personen im Team, die sie unterstützen oder noch fehlendem eigenen Wissen?) sich Gedanken zu machen, was ihre Arbeitnehmenden benötigen.
These 3:
Solche Arbeitgebende wären sich ihrer (negativen) Wirkung zwar bewusst, sind jedoch noch nicht im Stande, mehr Wertschätzung zu zeigen, öfter/anders zu kommunizieren oder andere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dies konnte in einigen Firmen vielleicht aus mangelnden Zeit- oder Finanz-Ressourcen noch nicht behoben werden.
Diese Thesen sind nur drei von unzähligen. Wie lautet Ihre eigene These? Melden Sie sie mir bitte.
Mein Tipp: Verschaffen Sie sich die Zeit, um diese Themen anzugehen! Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass es erstens Ihnen selbst damit besser geht und zweitens Ihr Unternehmen mit der Zeit gesünder wird.
Im Endeffekt profitieren wahrscheinlich alle:
- Sie als Arbeitgebenden (bessere Stimmung im Team, höhere Produktivität in ihrer Firma, weniger Unruhe und Knowhow-Verlust durch tiefere Fluktuationsraten, weniger Aufwand für Rekrutierungen und Einarbeiten, weniger krankheits-/unfallbedingte Absenzen die zu Auftragsverzögerungen führen, höherer finanzieller Gewinn)
- Ihre Arbeitnehmenden, durch die bessere Stimmung, möglicherweise bessere Rahmenbedingungen (welche durch Mehrgewinn finanziert werden können), möglicherweise bessere Gesundheit
- Ihre Familie, durch ihre neue Ausgeglichenheit und mehr freie Zeit
Was ist zu tun? Als ersten Schritt: Zeigen Sie echte Wertschätzung!
Wertschätzung benötigt oft kein oder nur wenig Geld.
Echte Wertschätzung erfordert sich Zeit nehmen, aufmerksames Zuhören und die Anliegen ernst nehmen und möglicherweise kleine Massnahmen umsetzen, welche das Personal unterstützt, motiviert und ihnen Vertrauen bringt. So kann die Arbeitsmotivation und Leistung steigen, Qualitätsfehler und Absenzzahlen können sinken – und plötzlich sind genügend finanzielle Mittel vorhanden, um sogar grössere Massnahmen umzusetzen – eine sich selbst befruchtende, aufsteigende Spirale!
Wie geht es Ihren Arbeitnehmenden? Fragen Sie!
- Was hält dich in meiner Firma?
- Was motiviert dich hier?
- Was stört deine Leistungsfähigkeit?
- Was müsste wie sein, damit du mit mehr Freude zur Arbeit kommst?
- Was hält dich gesund?
- Was macht dich krank?
- Was können wir für dich tun, damit es dir gut geht?
Solche und ähnliche Fragen bringen manchmal Erstaunliches zu Tage. Oft sind es nur Kleinigkeiten oder Missverständnisse, welche es zu beheben gilt und bereits die Spitze der Unzufriedenheit auf beiden Seiten brechen kann.
Sie können dies in Einzelgesprächen tun, welche Raum bieten für Nachfragen. Jedoch fördern sie allenfalls Unangenehmes oder nicht die tieferliegenden Probleme zu Tage und sind nebenbei auch sehr zeitaufwändig. Ich erinnere an Ihr eigenes Wohlbefinden. Anlässlich der Jahresgespräche lassen sich solche Fragen ideal platzieren. Sofern ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitenden besteht, werden Sie wertvolle Informationen gewinnen. Selbstverständlich sollten Sie diese Erkenntnisse bei einiger Häufung auch nutzen für Verbesserungen und keinesfalls für Sanktionen gegenüber dem Arbeitnehmenden ausnutzen.
Eine zweite Möglichkeit um das Befinden Ihres Personals zu ermitteln, bieten grossflächig angelegte Online-Befragungen. Die Vorteile liegen in der anonymisierten Form und der automatischen Auswertung, sofern eines der zahlreichen am Markt erhältlichen Tools verwendet wird. Solche bieten Ihnen die Möglichkeit, ein grösseres Bild der Stimmung Ihres Personals einzuholen, mit gut gewählten Fragen können sich ebenfalls konkrete Anhaltspunkte (Hotspots) ergeben.
Meine persönliche Empfehlung:
Im Idealfall kombinieren Sie beide Möglichkeiten. Vertiefen Sie also nach der Auswertung der breitangelegten Online-Befragung Ihre Erkenntnisse während ausgewählten Einzelinterviews. Diese können Sie selbst, externe Befrager oder Ihre HR-Verantwortlichen durchführen.
Übrigens: Dies kann der Beginn Ihres Betrieblichen Gesundheitsmanagements BGM sein, sofern sie eine nachhaltige Verbesserung in Ihrer Firma wünschen. In meinem nächsten Blog-Beitrag folgt mehr zu BGM.
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